Bundestrainer Shihan Hideo Ochi

Hideo Ochi wurde am 29.Februar 1940 in Saijo als 5.Kind des Bauern und Fischer Kinji Ochi und seiner Frau Take geboren. Er wuchs unter ärmlichen Verhältnissen im zerstörten Nachkriegsjapan auf. Durch die schwere körperliche Arbeit auf dem Hof seines Vaters war er kräftig entwickelt. Als Vierzehnjähriger begann er seine Karatelaufbahn an der Highschool. Durch einen Film erfuhr er, dass man an der Takushoku Universität neben einem Studium auch Karate intensiv trainieren konnte. Auch träumte er davon, einmal ins Ausland zu kommen. Ein Studium war eine große finanzielle Belastung für die Familie, aber sein Vater willigte trotzdem ein.
Ochi besuchte ab 1958 die Takushoku Unversität und die dortige Karateklasse. Das Karatetraining leitete Captain Katsunori Tsuyama. Aber auch Nakayama shihan und Nishiyama shihan kamen hin und wieder vorbei um zu unterrichten. Ochi zeichnete sich in dieser Zeit durch besonderen Trainingsfleiß aus. Später wurde Ochi dann zum Captain der Mannschaft berufen. Sein Studium schloss er mit dem Diplom als Betriebswirt 1962 und mit dem 4. Dan ab.
1963 bot ihm Nakayama shihan dann einen Platz in der Instructoren-Ausbildung der JKA an. Ochi besuchte die Instructor-Class von 1963 bis 1964, zusammen mit Anki Takahashi, Shoji Jitsuhara und Michihasa Itaya, und legte mit diesen gemeinsam die Prüfung zum Instructor 1964 ab.

Von 1963 bis 1969 nahm Ochi sensei an den JKA Meisterschaften teil. 1965 errang er den dritten Platz im Kumite, in Kata den 2. Platz, jeweils hinter Ueki. 1966 stand er in beiden Disziplinen auf dem ersten Platz. 1967 wurde er wieder Sieger im Kumite, in Kata wurde er von Ueki auf den 2. Platz verwiesen. 1968 wurde er in Kumite Zweiter (hinter Ueki) und Dritter in Kata. 1969 wurde er Dritter in Kumite, und erreichte den 1. Platz in Kata.
1966, 1967 und 1969 wurde er aufgrund seiner Erfolge in Kata und Kumite zum Grand Champion der JKA ernannt. Diesen Titel drei Mal zu erreichen schaffte außer Ochi nur Masaaki Ueki, der heutige Chief Instructor der JKA.
Nachdem er 1966 und 1967 den Titel in Kumite gewonnen und zudem noch Grand Champion geworden war, verabredeten seine Konkurrenten1968 dies zu stoppen. Ein Wettkämpfer sollte Ochi mit unfairen Mitteln aus dem Turnier werfen. Er schlug durch und Ochis Vorderzähne klappten nach hinten. Aber Ochi hielt durch, stopfte sich ein Taschentuch in den Mund und drückte die Zähne halbwegs wieder nach vorne. Dann kämpfte er weiter und unterlag erst im Finale. Erst später erfuhr er von der Intrige seiner „Kollegen".
Ochi sensei hatte nie die Chance bei einer internationalen Meisterschaft außerhalb Japans anzutreten. Bei der ersten (inoffiziellen) Karate-Weltmeisterschaft in Mexico City 1968 war er von Nakayama shihan nicht nominiert worden, obwohl er der erfolgreichste Wettkämpfer der JKA von 1966-1969 war. Ab 1970 war er Bundestrainer in Deutschland, und bei den nachfolgenden Weltmeisterschaften coachte er das deutsche Wettkampfteam, und konnte daher schlecht selbst starten.
Nach 6 Jahren Wettkampfpause trat er 1976 (auf Wunsch von Nakayama shihan) noch einmal bei den Alljapanischen Meisterschaften an und errang die Goldmedaille im Kata shiai. Das letzte Mal trat Ochi sensei 1979 mit 39 Jahren an den Meisterschaften an, und er konnte mit dem 2. Platz in Kata seine Karriere eindrucksvoll abschließen.
Reise nach Deutschland
1970 wurde er von Nakayama shihan nach Deutschland entsandt, um die Nachfolge von Kanazawa sensei als Deutscher Bundestrainer des DKB zu übernehmen. Kanazawa sensei hatte ihn für diese Stelle vorgeschlagen. Ochi wäre eigentlich lieber nach England gegangen, da seine Frau auch Englischlehrerin war, aber Enoeda war dort bereits aktiv.
Die erste Zeit in Deutschland war sehr schwer für Ochi sensei. Er hatte keine Sprachkenntnis, keinen Ansprechpartner (lediglich Akio Nagai, ein Kohai der Takudai lebte seit 1968 in Deutschland), und er bekam prompt Schwierigkeiten mit der Aufenthaltserlaubnis. Daher reiste er nach kurzem Aufenthalt nach London zu Enoeda sensei, und unterrichtet dort in dessen Dôjô. Nachdem Dr. Wolfgang Hagedorn neben anderen für die Aufenthaltserlaubnis gesorgt hatte, kam er zurück nach Deutschland, und wohnte zunächst in Freiburg. 1971 kam seine Frau Tomie dann nach Deutschland. 1974 siedelte er nach Bottrop um, da ein zentraler Ort für seine Aufgabe als Bundestrainer günstiger schien. Dort baute er dann ein Dôjô mit Hilfe der Bottroper Karateka auf.
Erfolge als Bundestrainer
Bereits seit 1971 hatte Ochi sensei mit der deutschen Nationalmannschaft Erfolge in verschiedenen Meisterschaften erzielen können. Der Durchbruch und damit die weltweite Bekanntschaft von Ochi sensei kam mit dem Gewinn der Vizeweltmeisterschaft des deutschen Teams 1975 in Los Angeles. Das deutsche Team (mit Büttgen, Rebmann, Wichmann, Dalkmann, und Willrodt) besiegte dabei sogar die favorisierte englische Mannschaft (u.a. mit Terry O'Neill, Billy Higgins und Andy Sherry) und unterlag nur Japan (mit Tanaka, Hayakawa, Mori, Oishi und Yahara).
Ochi sensei war nicht nur Trainer seines Team, er trainierte in der Vorbereitungszeit selbst aktiv mit, auch am Wettkampftag und unmittelbar vor den Kämpfen motivierte er als „Punchingball" jeden einzelnen seiner Athleten. Auch als Coach am Wettkampfrand stand er stets voll hinter seinen Kämpfern.
1977 wurde die deutsche Mannschaft im Budokan in Tokyo erneut Vizeweltmeister hinter Japan. Im deutschen Team kämpften Büttgen, Rebmann, Wichmann, Kiiskilä, und Willrodt). 1980 fand die Weltmeisterschaft in Bremen statt. Vor heimischem Publikum erreichte das deutsche Team mit Büttgen, Rebmann, Wichmann, Repp, Hoffmann und Hermann seinen Höhepunkt. Äußerst knapp unterlag die Mannschaft im Finale Japan, auch durch einen denkwürdigen Kampfrichterentscheid. Im Einzel Kumite erreichte J. Willrodt ebenso denkwürdig den 2. Platz.
1983 bei der 4. Weltmeisterschaft in Kairo erreichte er mit einer neuen verjüngten Mannschaft (Hoffmann, Hermann, Streit, Dietl und Steinegg) erneut den Vizemeistertitel.
Seit 1979 war Ochi sensei vom Deutschen Sportbund als Bundestrainer berufen worden. Die inneren Konflikte im DKV und die zunehmende Versportlichung des Karate führten dazu, dass Ochi sensei beantragte, innerhalb des DKV eine Stilrichtung „JKA-Karate" zu gründen. Dies wurde ihm von Seiten der Funktionäre mehrfach verwehrt, auch mittels satzungs- und rechtswidriger Methoden. Daher entschloss sich Ochi sensei 1993 seinen Vertrag als Bundestrainer zu kündigen, und den DKV zu verlassen. Dann gründete er 1994 mit einigen Mitstreitern den DJKB als neuen Dachverband. Mit Ochi sensei traten 15000 Karateka in diesen neuen Verband ein Heute ist dieser mit über 20000 Mitgliedern nach Japan der weltweit zweitstärkste Verband im JKA Karate.
Von Sensei Ochi stammt auch der Leitspruch des DJKB „ Kann wa kokoro nari. Kokoro tadashikarazareba. Ken mata tadashi karazu. Ken o manaban to hossureba. Mazu kokoro yori manbubeshi", sinngemäß übersetzt mit: "Ken ist das Herz (die Einstellung, die innere Haltung). Wenn sein Herz falsch ist, befindet sich der Mensch auf dem falschen Weg. Jeder der Karate erlernen will, muß sein „Herz" finden."
Seit 1973 leitet Ochi sensei einwöchige Sommerlehrgänge. Diese erfreuten sich als Sommerlager oder Gasshuku immer größerer Beliebtheit. Mittlerweile sind das Gasshuku und das seit 1989 im Mai stattfindende viertägige Kata-Special mit oft über 1000 Teilnehmern zu den weltweit größten Karatelehrgängen geworden. Jedes Jahr bringt Ochi sensei Spitzentrainer aus Japan, Deutschland und anderen Ländern zu diesen Events zusammen. Auch Masatoshi Nakayama unterrichtete bei deutschen Gasshukus in den 70er und 80 er Jahren.
1997 erhielt Ochi sensei das deutsche Bundesverdienstkreuz. Er ist der zweite Japaner der wegen seiner Verdienste für die Verständigung zwischen Japan und Deutschland und wegen seiner langjährigen Arbeit mit diesem Orden geehrt wurde.
Ochi sensei ist Chief Instructor der JKA Europe. Er hält Lehrgänge und Seminare in ganz Europa, und ist für das Karate im gesamten Gebiet von Europa und Russland verantwortlich.
Daneben engagiert sich Ochi sensei auf viele Arten sozial. Die Überschüsse des Gasshuku werden zur Unterstützung von bedürftigen Sportlern verwendet. Er unterrichtete mehrfach auf eigene Kosten in „Townships" in Südafrika. Auch in Benin in Westafrika unterstützt er eine Schule, und er hat dort mehrmals Besuche mit Karateunterricht durchgeführt. Er und seine Frau finanzieren dort zudem ein Waisenhaus. Auch in Kambodscha unterstützen sie ein Waisenhaus.

Bis heute leitet Ochi sensei jeden Monat Lehrgänge, hält Prüfungen und ist aktiv. Seine Lehrgänge sind sehr gefragt, und die Teilnehmer sind von seiner freundlichen aber intensiven Art begeistert. Gerade die Kinder und Jugendlichen lieben Ochi sensei. Im DJKB ist er nach wie vor der einzige, der Danprüfungen abnimmt. Mit seinem Training und seiner persönlichen Art gelingt es ihm immer seine Schüler zu motivieren, so dass diese bereitwillig ihr Bestes geben. Gerade diese herzliche Atmosphäre zeichnet seine Lehrgänge aus.
Meister Ochi führt den Karateverband DJKB mit väterlicher Fürsorge. Ein Wesentliches trägt auch seine Frau Tomie Ochi zu seiner Arbeit bei, die ebenfalls Karatelehrerin und begeisterte Bergsteigerin ist. Sie unterstützt ihren Mann, von außen of kaum sichtbar, und hält ihm in vielen Dingen den Rücken frei. Zusammen bilden die beiden ein starkes Team, dem das deutsche Karate viel zu verdanken hat.
Im Februar 2015 feierte Ochi shihan seinen 75. Geburtstag. Selbst an diesem Festtag hielt er einen Karatelehrgang im „HakuRyûKan" in Lenzkirch im Schwarzwald. Am Abend wurde dann sein Ehrentag gebührend gefeiert. Der DJKB feierte Ochi sensei und seine 45jährige Tätigkeit als Deutscher Bundestrainer im April mit einem großen Festakt.