Interview mit Shihan Kazuhuro Sawada

Im Rahmen eines 4-tägigen Lehrgangs anlässlich des 10jährigen Jubiläums des HakuRyûKan Dôjô in Kappel/Schwarzwald stellte sich Shihan Sawada den Fragen des Dôjôleiters Anton Sàlat.

Frage: Sensei Sawada, herzlichen Dank, dass Sie sich zu diesem Interview bereit erklärt haben.
Sawada: Es ist mir eine Freunde und Ehre.

Frage: Wie kamen Sie zum Karate?
Sawada: Mit 14 Jahren fing ich mit Karate an. Ich stamme aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Sapporo. Mein Vater und auch mein Großvater waren Fischer. Nebenbei betrieben sie aber auch ein wenig Landwirtschaft.
In unserer Region in Hokkaido gibt es sehr lange Winter, wir haben in der Regel 5 Monate lang Schnee. Wir fahren viel Ski, aber die meisten Aktivitäten in dieser kalten Zeit finden in Häusern statt. Zum Karate kam ich durch meinen Cousin, er war Braungurt. Mein ältester Bruder trainierte ebenfalls Karate, allerdings eine andere Stilrichtung, Gôjû-Ryû, an seiner Universität in Tokyo. Von ihm erhielt ich erste Informationen über Karate, denn zu dieser Zeit war Karate noch nicht so bekannt. Er zeigte mir, wie man tsuki macht. Meine Eltern waren nicht so sehr erfreut darüber. Vor allem meine Mutter glaubte, dass ich mich durch das Training zu einer Art Gangster entwickeln würde, vielleicht mit besserem Benehmen, aber auf jeden Fall gewalttätig. Aber wie auch immer, wir konnten im Winter nicht viel unternehmen. Und so kam ich zum Karate. Was das Training betrifft, so versuchten wir einfach die Schwarzgurte nachzumachen. Diese Sempai unterrichteten sehr einfache Techniken. Mein eigentliches Training begann, als ich auf die High School kam, an der ja auch mein Cousin war.
Der dortige Trainer war Ibata sensei, er kam von der Taishô-Universität. Er war damals auch der „Captain" des Universitäts-Karate-Teams. Er war übrigens in der gleichen Klasse wie Miyazaki sensei, und auch im gleichen Alter. Zu dieser Zeit begann Iida sensei gerade sein Studium an der Taishô.
Ich habe keine besonderen Ergebnisse oder Titel aus dieser Zeit an der High School, denn wir kamen nicht oft auf Wettkämpfe. Wir trainierten, aber nur sehr selten hatten wir Gelegenheit für Meisterschaften, und sie waren immer sehr weit entfernt. Aber es gab natürlich Gürtelprüfungen.
Dann bekam ich eine Chance. Sensei Iida, der mittlerweile Captain des Universitätsteams geworden war, versuchte eine gute Karatemannschaft aus ganz Japan zusammenzustellen.Er hatte die Idee, ein gutes Team für die Zukunft zu schaffen. Er fragte mich, ob ich zur Taishô-Universität kommen wolle. Wissen Sie, von meinem Dorf in Hokkaido bis nach Tokyo sind es mehr als 1500km! Ich hatte eigentlich keine Ahnung, aber ich hatte etwas waza (Technik), und ich besaß Hingabe – ich wollte irgendwas machen. Also ging ich zur Taishô, aber ökonomisch war es sehr schwer. Ich studierte Amerikanische Literatur, aber eigentlich war ich mehr am Karate interessiert. Und ich mußte nebenher arbeiten, um Geld für meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Natürlich mußte ich auch ein wenig studieren, um wenigstens die Prüfungen zu schaffen. Es war eine harte Zeit, aber es gefiel mir.
In meinem 3 Universitätsjahr kam Sensei Miyazaki aus Belgien zu Besuch. Er war auf der Suche nach einem Assistenten. Er kam mit einem belgischen Team, sie besuchten das Gasshuku in Nagasaki. Er fragte Sensei Iida, ob er ihm jemanden zur Unterstützung senden könne, und Sensei Iida schickte mich. 1974, in meinem Abschlußjahr fragte mich Sensei Miyazaki dann, ob ich sein Assistent werden und nach Europa kommen wolle. Bis dahin hatte ich nie daran gedacht, Karate-Instructor zu werden. Er hatte sich auch bei Shihan Nakayama dafür eingesetzt, daß ich den JKA Instructor Kursus besuchen dürfe. Diese Ausbildung dauert normalerweise 3 Jahre, aber ich absolvierte nur 3 Monate. Dann akzeptierte Shihan Nakayama mich als JKA Instructor.

Frage: Ihr persönliches Dôjô ist in Brüssel?
Sawada: Ja, es liegt im Areal der Europäischen Gemeinschaft. Es ist ein guter Platz, nur bei Staatsbesuchen oder anderen wichtigen Treffen ist es nicht so einfach, das Gebiert zu betreten oder zu verlassen, wegen der hohen Sicherheitskontrollen. Viele Leute die bei mir trainieren arbeiten für die EU. Das bedeutet auch, dass sie aus vielen verschiedenen Ländern kommen, daher kommen bei mir viele verschiedene Staatsbürger zusammen.

Frage: In welchen anderen Ländern außer Belgien unterrichten Sie Karate?
Sawada: Neben meinen Verpflichtungen in Belgien werde ich Trainingslager in verschiedenen Ländern eingeladen, wie England, Norwegen, Ungarn, Slowenien, Holland, Israel, Griechenland, Frankreich, Madagaskar, Kanada, Marokko, ja und auch in Deutschland. Manche dieser Lehrgänge sind zwei Mal pro Jahr, andere jährlich.

Frage: Können Sie uns etwas über Sensei Miyazaki erzählen?
Sawada: Miyazaki sensei war kein Mann großer Worte. Er machte auch keine Witze. Man musste immer sehr gut aufpassen, um zu erfassen, was er meinte und was er von einem wollte. Aber es ging Sensei Miyazaki nie um Geld oder Ruhm, sein Anliegen war, die Persönlichkeit seiner Schüler auszubilden. Dabei war er allerdings sehr direkt. In Belgien waren die Verhältnisse extrem schwierig. Er war dennoch beliebt, weil er immer sehr ruhig war, selbst in den größten Schwierigkeiten blieb er gelassen. Das konnte ich von ihm lernen. Es gibt immer noch eine Möglichkeit, aber um die zu finden muss man ruhig bleiben. Er war ein wirkliches Vorbild, und obwohl er nie viel sprach, höre ich ihn noch heute „in meinem Kopf".

Frage: Sie haben ein besonderes Verhältnis zu Tanaka sensei. Wie kam es dazu?
Sawada: 1975 fanden die 2 Weltmeisterschaften der IAKF in Los Angeles statt. Tanaka sensei war damals in der japanischen Nationalmannschaft, er startet im Kumite Einzel. Ich war der Coach des belgischen Teams. Sensei Miyazaki war Cheftrainer, aber ich war verantwortlich für die Kumite Mannschaft und die Kata Mannschaft. Tanaka sensei gewann diesen Wettkampf und wurde Weltmeister. Nach der Meisterschaft verbrachte Tanaka sensei den Abend mit dem belgischen Team. Wir waren im gleichen Hotel untergebracht, wir hatten sogar einen Swimming Pool im Hotel! Dann feierten wir gemeinsam seinen Titel, Tanaka sensei, das belgische Team, und drei andere Karateka aus verschiedenen Ländern. Später war Tanaka dann sehr müde, und er hatte viel getrunken. Ich war der Jüngste, also kümmerte ich mich um seine Sachen. Ich brachte ihn dann auch ins Bett, und so begann unsere Kameradschaft. Natürlich kannte ich ihn schon vorher. Schon in meiner Studentenzeit war er bekannt als großer Kämpfer. Unsere Studentenorganisation besuchte regelmäßig ein Sommerlager in Tatiema, in der Nähe von Tokyo. Dort unterrichteten die Sensei Tanaka, Yahara, Yano, Abe Iida, alle guten Kampfinstruktoren drei Tage lang- Die Ausbilder kämpften gegen alle Teilnehmer. Es war sehr hart! Manchmal kämpfte ich mit Yahara, dann mit Tanaka, dann mit Iida. Alle waren sehr hart. Daher kannte ich Sensei Tanaka schon. Wir hatten keine Beziehung zueinander, aber ich kannte ihn.

Frage: In der Vorbereitung zu dieser Weltmeisterschaft waren Sie der Trainer der berühmten belgischen Kata-Mannschaft?
Sawada: Ja, unser Team bestand aus Sergio Gneo, Dirk Heene und Bruno Lorefice. Wir erreichten den 2. Platz.

Frage: Wie entwickelte sich das Karate in Belgien?
Sawada: In Belgien hatte die Judo-Organisation bereits seit 20 Jahren existiert. Dann kam Karate auf, und breitet sich in Europa aus. Das war noch vor Bruce Lee. Sensei Miyazaki hatte mich gefragt, ob ich nach Europa kommen wolle. Seine Absicht war, eine eigene Karatevereinigung in Belgien aufzubauen. Karate war damals eine Unterabteilung von Jûdô, und hatte keinerlei Einfluss. Sensei Miyazaki war der Ansicht, dass Karate und Jûdô völlig unterschiedlich sind. Er strebte nach Unabhängigkeit. Doch um eine richtige Karateorganisation aufzubauen braucht man einen Stab von Mitstreitern, und dafür hatte er mich ausgesucht. Er wollte einen jungen Ausbilder neben sich haben, der mit ihm diese neue Organisation aufbauen sollte. Dann trennten wir uns vom Jûdô-Verband. Aber innerhalb der neuen Karateorganisation versuchten viele Karategruppen, trotzdem in der Jûdô-Organisation zu bleiben, aus finanziellen Gründen, wegen der staatlichen Unterstützung, übers Jûdô zum Karate. Das war eine schwierige Zeit. Aber dennoch machten Sensei Miyazaki, ich und eine kleine Gruppe von Karatekas uns unabhängig. Wir bekamen keinerlei Unterstützung, keinerlei Zuwendungen, und mussten alles selbst schultern, aber wir schafften es.
Deshalb gibt es heute zwei Karateverbände in Belgien. Die eine, die damals beim Jûdô-Verband blieb, entwickelte sich zum Sportkarate, wie der DKV in Deutschland. Und wir sind die JKA Gruppe, ein traditioneller Karateverband, wie der IAKF oder der ITKF, oder wie der DJKB in Deutschland. Aber wir sind im JKA Weltverband. Das ist die Geschichte, wie alles begann.
1972 fanden die 2.Karateweltmeisterschaften in Paris statt. Mein Lehrer, Sensei Iida, war damals Captain der japanischen Nationalmannschaft. Im Kumite-Einzel kam er unter die letzten acht. Doch dann boykottierte die japanische Nationalmannschaft die weitere Teilnahme, denn der Organisator, M. Delcourt, hatte für keine akzeptablen Kampfrichter gesorgt. Nahezu alle Kampfrichter kamen vom Jûdô, und sie hatten keine Ahnung von Karate. Karateaktionen sind wesentlich schneller als Jûdô, und die Kampfrichter waren nicht daran gewöhnt. Sie sahen manche Techniken gar nicht, und konnten sie deshalb auch nicht werten. Ich glaube Deutschland nahm damals ebenfalls am Boykott teil. Das war der Beginn der Trennung der Weltverbände, denn Delcourt machte trotzdem weiter, was dann zu den IAKF und WUKO-Systemen führte.

Frage: Trainieren Sie noch heute die belgische Nationalmannschaft?
Sawada: Nein, wir haben diese Aufgabe jetzt an Jüngere abgegeben. Marco Barane ist nun für das Team verantwortlich, er war ein guter Kämpfer und er kümmert sich um die neue Generation. Selbstverständlich unterstützen wir ihn. Wir machen zwar keine speziellen Trainingslager, aber wir helfen in bestimmten Aspekten, bei allgemeinen Trainingslagern und in Fragen des Reglements. Wir versuchen immer zusammenzuarbeiten.
In diesem Jahr werden die Europäischen Meisterschaften in Konstanz stattfinden. Ich werde mit dem belgischen Team kommen, mit dem Bus, eine lange Strecke!

Frage: Sie sind stellvertretender technischer Direktor der JKA Europa. Was ist Ihre Aufgabe?
Sawada: Die JKA Europa besitzt eine technische und eine administrative Abteilung. Technischer Direktor ist Herr Bura aus Dänemark. Sämtliche technischen Angelegenheiten werden ausschließlich von der technischen Abteilung entschieden.
Ich bin dafür zuständig, die Wettkampfregeln für Erwachsene, aber auch im Besonderen für Kinder und Jugendliche zu untersuchen und festzulegen. Gerade für Kinder- und Jugendmeisterschaften müssen für die Zukunft klare Regeln erarbeitet werden, dazu benötigt es viele Gespräche und Kommunikation.
Es gibt ein Regelwerk für Sportkarate, und eines für Wettkampfkarate, wie etwa für jiyû-kumite, aber das ist nicht unbedingt das Richtige für Kinder, besonders für Jüngere wie etwa 8-10jährige. Wir wollen klare Regeln erarbeiten, damit die Kinder sich in einer guten Art und Weise entwickeln können. Derzeit hat fast jedes Land andere Regeln. Wir wollen ein klares Regelwerk für JKA-Meisterschaften für ganz Europa erarbeiten, aber wir stecken da noch in den Anfängen.

Frage: In Deutschland sind im DJKB vor kurzem die Regeln geändert worden. Freikampf ist nun ab 12 Jahren möglich. Manche Trainer sind über diese Entwicklung nicht glücklich, sie meinen, das sei zu früh.
Sawada: Ja das stimmt. Diese Entwicklung zieht sich durch ganz Europa. Beispielsweise gibt es eine Wettkampfkategorie Kinder ab 9 Jahre, Freikampf mit Schützern, mit Zahnschutz, Körperschützern, Faust- und Fußschützern, vielleicht sogar Kopfschutz. Aber ist das ein guter Weg für Kinder, um sie zum Kämpfen zu führen? Ist das ein guter Trainingsweg?
Wir müssen das aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Es Sicht die Sichtweise der Eltern, der Trainer, der Schule, auch den Blickwinkel der körperlichen Entwicklung, natürlich auch den der mentalen Entwicklung. Es müssen viele verschiedene Blickwinkel berücksichtigt werden. Wir diskutieren dies im technischen Komitee.
Manche halten das nicht für eine Weiterentwicklung, sondern für eine Rückschritt. Aber auch darauf müssen wir vorbereitet sein. Wir bevorzugen eine Entwicklung Schritt für Schritt, also nicht sofort mit Wettkampf beginnen, nicht sofort Freikampf. Anfangs gohon-kumite, dann kihon-ippon-kumite, dann jiyû-ippon-kumite, dann jiyû-kumite. In dieser Reihenfolge ist es für Kinder eher möglich, Selbstvertrauen zu entwickeln, und ihr Fortschritt ist klarer und beständiger. Für die Altersgruppe 12 – 14 empfiehlt die JKA Europa noch immer jiyû-ippon-kumite, nur im Finale, oder vielleicht auch im Halbfinale akzeptieren wir jiyû-kumite. Oberhalb von 14 Jahren kann dann jiyû-kumite stattfinden. Also Schritt für Schritt, drei verschiedene Schritte, wir bevorzugen dieses System.

Frage: Haben Sie einen Ratschlag wie man im Training Kinder richtig für den Wettkampf vorbereitet?
Sawada: Sie meinen jiyû-kumite? Ja, das ist ein Punkt. Aber was ist jiyû-kumite? Ich meine, gerade ein Ausbilder sollte sich stets darüber bewußt sein, was die Grundlagen sind. Ich achte immer darauf, was im Karate beständig ist.
Ich meine, wir haben das Sportkarate, dann haben wir Vollkontakt-Karate, wie Kyokushinkai, mit verschiedenen Schutzarten, und wir haben das was wir unseren Stil nennen, das traditionelle Karate. Also haben wir innerhalb des Karate bereits im Großen und Ganzen drei verschiedene Karate. Wenn jemand Sportkarate möchte, nun dann geht er unmittelbar zum Kämpfen. Aber wie bringt man dann noch eine Ausbildung, eine Erziehung, auch eine technische Schulung, und auch eine mentale Schulung mit hinein? Und dann gibt es ja auch noch die Sicht der Eltern, und auch die der Schule.... Viele Aspekte, aber wenn jemand wirklich Sportkarate machen will, dann wird er es machen.
Nun zum Vollkontakt-Karate, wie ist es mit Vollkontakt für Kinder? Man trägt da ja immer Schutzkleidung. Wenn Familien, wenn Kinder, sicherlich werden es nur sehr wenige sein, aber wenn sie wirklich Champion werden wollen, dann werden sie Champion werden. Aber was die Mehrheit betrifft, das ganze soziale Spektrum, so glaube ich, die meisten Leute akzeptieren kein Vollkontakt-Karate für Kinder.
Was ist nun mit unserem Karate, dem sogenannten traditionellen Karate? Seit über 140 Jahren, seit Itosu sensei, über Funakoshi sensei bis heute, besitzen wir eine Art System, ein Prinzip für die Ausbildung und Lehre. Gerade deswegen nennen wir es ja traditionell. Ich meine, gerade wegen dieses „Know-how" der alten Großmeister haben wir eine Art Taktik, oder eine Technik für den Wunsch nach Fortschritt. Das ist also eine grundlegende Art zu lernen, sehen Sie. Diese Meister planten etwa ab 15 Jahren mit dem Kämpfen zu beginnen. Nun in manchen Fällen könnte ich persönlich auch schon 13jährige akzeptieren. Aber in manchen Ländern geht das nicht. Nördliche Länder wie Norwegen oder Schweden erlauben Freikampf erst ab 16 Jahren, glaube ich, und noch dazu nur mit der schriftlichen Einverständniserklärung der Eltern. Und ohne diese Bescheinigung geht es gar nicht. Andererseits haben manche vormals kommunistische Staaten wie etwa Serbien vollkommen andere Ansichten über das Kämpfen. Es gibt also unterschiedlichste Ausgangspunkte. Ich meine, als Lehrer und Ausbilder muss man all dies im Auge behalten.

Frage: Sie kamen erstmals 1975 nach Europa. Hat das Karate sich seither verändert?
Sawada: Oh ja, es hat sich sehr verändert. Es hat sich dem Leben angepasst. Und auch wir haben es verändert. Als ich anfangs nach Belgien kam, haben wir trainiert, wie wir es von der Universität her kannten. Wie das Training von Tanaka sensei, viele Wiederholungen, wenig Techniken, aber viele Wiederholungen. Das ist ein guter Weg um Champion zu werden, um Titel zu gewinnen. Wie ich erzählt habe, war ich drei Monate lang im JKA honbu dôjô im Instructor Course. Nakayama shihan gab uns sehr viele Erläuterungen und Anweisungen, speziell für diejenigen die ins Ausland gehen sollten. Damals trainierte ich oft mit Osaka sensei und Kasea sensei. Kasea sensei war auch JKA Instructor, später wechselte er dann zum SKI. Diese beiden waren mir eine große Hilfe für die Kata. Zu dieser Zeit wußte ich nicht so viel von Kata. Nach dem normalen Training im honbu dôjô blieben sie noch weitere eineinhalb Stunden, um Kata zu üben. Sensei Kasea war meist mit Sensei Kanazawa zusammen.

Frage: Vor 30 Jahren wurde Karate fast ausschließlich von jungen Männern betrieben. Heutzutage gibt es mehr Kinder und Ältere im Karate. Ist das in Japan ebenso?
Sawada: Ja, die Entwicklung ist die Gleiche. Aber es ist auch eine gute Entwicklung, für die Erziehung. In Japan sind jetzt alle Schüler der Mittelschule verpflichtet, also die 13 – 15jährigen, eine traditionelle Kampfkunst wie Jûdô, Kendô oder Karate zu lernen. Das Ministerium gab eine Anweisung heraus, daß diese jungen Leute eine Kampfkunst studieren sollten, weil die heutige Jugend nicht mehr weiß, wir sie sich ertüchtigen kann, wie man ruhig wird, wie man Freundschaften schließt usw. Das Ministerium ist der Ansicht, daß zum Erreichen dieser Werte die traditionellen Kampfkünste beitragen können.

Frage: Was denken Sie über die JKA und die WKF?
Sawada: Im letzten November fanden die WKF Weltmeisterschaften in Paris statt. Ich war drei Tage als Zuschauer dort. Eingeladen wurde ich vom französischen Karateverband, gemeinsam mit dem Generalsekretär der JKA, Herrn Mori. Auch hat mich dieser gebeten, mit ihm zu kommen und die Veranstaltung zu besuchen. Was mir als erstes auffiel war, daß sie die Regeln geändert haben. Es läuft nun ganz ähnlich wie bei der JKA, mit 4 Seiten- und einem Hauptkampfrichter. Dieses System macht es für die Kämpfer gerechter, und die Entscheidungen sind klarer.
Der größte Unterschied besteht natürlich in dem Gedanken des „ippon". Das Wertungsprinzip ist völlig anders als in der JKA. Man bekommt 3 Punkte, wenn man mit dem Fuß zum Kopf tritt, ein Fußtritt zum Körper bringt 2 Punkte und eine Handtechnik gibt einen Punkt (er lacht). Unterschiedliche Auffassungen, aber wie auch immer, das neue System macht es sehr viel fairer für die Wettkämpfer, das war für mich sehr wichtig.
Auch innerhalb der JKA macht man sich Gedanken über die Zukunft. Wir haben einige Ideen, die mit der WKF abgeglichen werden sollen, um zukünftig vielleicht an Olympischen Spielen teilnehmen zu können. Das würde aber auch bedeuten, daß die JKA manches von der WKF übernimmt. Die WKF ist sehr weit entfernt vom traditionellen Weg, vom traditionellen Karate. Wir müssen uns also Gedanken machen, wo es in der Zukunft hingehen soll. Vielleicht ist das eines Tages von Bedeutung.

Frage: Was denken Sie über Karate und Olympische Spiele?
Sawada: Positiv und negativ. Karate ist mittlerweile weltweit bekannt. Der WKF gehören 186 Staaten an, in Paris nahmen rund 160 Länder teil. Jedes Land hat seine eigene Karateorganisation. Also was die Popularität des Karate betrifft, glaube ich, reicht es.
Der nächste Punkt ist Qualität. Und wenn man an Qualität denkt, muss man wissen, daß hinter den olympischen Spielen immer sehr große Geschäftsinteressen stehen, Geld, Sponsoren usw. Aber wenn viel Geld im Spiel ist, ist es nie gut. Das ist so.
Aber andererseits kann es positiv sein, wenn Gelder über das Olympische Komitee zum Karate fließen., ebenso wie Werbegelder. Um aktiv sein zu können, brauchen wir immer ein Budget und Unterstützung.
Meine ganz persönliche Meinung ist. Ich möchte nicht, daß Karate eine olympische Disziplin wird. Bei den Olympischen Spielen interessiert nur der Sieger, und Sieger ist nur einer. Es gibt nur eine Goldmedaille. Aber im Karate gibt es viele, viele Menschen, die jeden Tag das Engagement zeigen, etwas zu tun, zu trainieren. Und wenn man nur ans Gewinnen denkt, dann wird die Idee der Übung verändert, und das ist gegensätzlich zur Idee des traditionellen Wegs.

Frage: In den 1950er Jahren wurde Karate in den USA bekannt, u.a. mit der Geschichte, daß Karatemeister sehr alt würden und dabei gesund bleiben? Stimmt das?
Sawada: Nun, viele Geschichten aus dieser Zeit stammen von den Inseln von Okinawa. Dort führt man ein sehr naturverbundenes Leben, es ist viel Natur dort. Ich glaube, in manchen Gegenden dort werden die Menschen über 100 Jahre alt. Einige dieser Dörfer existieren noch heute. Ich weiß es nicht persönlich, aber ich habe darüber gelesen. Nach dem Krieg waren viele Amerikaner in Okinawa stationiert, noch heute gibt es dort einen amerikanischen Stützpunkt. Von dort gingen all diese Gerüchte über Karate aus, aber auch aus Yokata, in der Nähe von Tôkyô. In Yokata ist ein amerikanischer Stützpunkt, und noch heute gibt es dort Karateunterricht. Verschiedene JKA-Insturctoren unterrichten von Zeit zu Zeit dort. Amerikaner aus diesen Stützpunkten kehrten dann zurück in die USA und machten dort Karate populär.

Frage: Muss man sein Training ändern wenn man älter wird?
Sawada: Ganz automatisch ändert sich das persönliche Training, abgestimmt auf das Alter. Wenn Du Gefühl hast, wenn Du Dich fühlen kannst, wenn Du Erfahrung mit Training hast, dann passt Du Dich diesen Veränderungen an. Du kannst nicht mehr so wie vor 30 Jahren. Was mich betrifft, ich versuche 3 Mal wöchentlich für 2 Stunden in einem Studio ein spezielles Krafttraining für meine Muskeln zu machen. Man kann nicht mehr so viele Wiederholungen machen wie früher. Man muß im Alter ein sanfteres Training machen. Aber das kann man selbst herausfinden, wenn man auf seinen Körper hört.
Ich gebe zwei Mal pro Woche ein Training für Leute von etwa 30 – 65 Jahren, die bei der EU arbeiten. Also nicht für Kinder oder Jugendliche. Ich versuche mich gemeinsam mit ihnen zu bewegen. Das ist ein sanfteres Training. Aber wenn man junge Schüler im Dôjô hat, oder Mitglieder der Nationalmannschaft, diese sollen und können weitaus mehr Wiederholungen machen. Manchmal muss ich ein sehr forderndes Training machen, speziell bei jungen Wettkämpfern. Aber natürlich muss jede Art von Training kontrolliert sein, abgestimmt auf das Alter, aber man muss auch auf Blutdruck, Blutzirkulation usw. achten.

Frage: Was denken Sie über Etikette im Dôjô?
Sawada: Etikette, ja, sehr wichtig. Wenn wir jemandem begegnen, dann sagen wir „Hallo" oder andere Grußformen wie „Ciao" oder „Hi". Im Karate sagen wir „Oss". Wie auch immer, wir versuchen uns aufeinander einzustellen. Dies sollten wir auch als eine Art Training betrachten. Karateunterricht geht nicht nur alleine für sich, wie etwa beim Katatraining. Beim Kumite brauchen wir einen Partner, und in einem Dôjô gibt es eine Art sozialer Gemeinschaft. Es ist notwendig, sich gegenseitig zu verstehen und eine Harmonie zu schaffen, ganz im Sinne von „Respektiert Euch!". Funakoshi sensei hat in seinen 20 Prinzipien dazu viele wichtige Anregungen gegeben, über die es sich nachzudenken lohnt. Respekt beginnt bereits beim ersten Kontakt mit „Hallo" oder „Oss". Das sollte man immer beachten und aufrechterhalten. Junge Leute sind manchmal etwas verschämt und trauen sich nicht. Das sollten sie ablegen. Ich nutze zusätzlich Körperberührung, besonders bei Kindern. Manche Kinder scheinen nicht viel Erfahrung mit Berührung zu haben, deshalb halte ich es für eine gute Idee.

Frage: Sie sind in einer sehr guten körperlichen Verfassung. Was ist Ihr „Geheimnis"?
Sawada: Oh nein! (er lacht) Ich habe Rückenschmerzen und mein Knie tut weh. Aber wenn ich sage, es tut weh, es schmerzt, dann ändert sich auch nichts. Ich muss trotzdem weiter machen. Also versuche ich weiterzumachen, ich versuche ein gutes Beispiel zu geben.

Frage: Unterrichten Sie auch kyusho?
Sawada: Nein, ich habe es zwar durch Bücher gelernt und diese Punkte studiert. Aber ich unterrichte es nicht.

Frage: Was denken Sie über Training mit dem makiwara?
Sawada: Ich trainiere sehr gerne mit dem makiwara, ebenso wie mit Boxsäcken. Es ist wichtig, den Kontakt immer wieder zu spüren. Wenn Du den Kontakt fühlst, dann kannst Du Kontrolle lernen. Du kannst lernen, wie viel Prozent Kraft, welche Distanz usw. Ohne dieses Distanzgefühl mit einem wirklichen Ziel gelernt zu haben, gibt es keine wirkliche Kontrolle in den Schlägen gegen einen Gegner. Ich glaube, um dieses Gefühl zu lernen braucht man den Kontakt. Man lernt die richtige Distanz mit dem makiwara, man studiert Distanzgefühl.

Frage: Wenn jemand mit Karate anfangen möchte, haben Sie einen guten Rat für ihn?
Sawada: Gute Entscheidung! Durch Karate kannst Du lernen, Dir zu vertrauen. Ich weiß, es dauert eine ganze Weile, lange Zeit, manchmal auch nicht so lange, je nach Person, und natürlich muss man immer weitermachen. Aber in der Regel kann man ein gutes Selbstbewusstsein aufbauen.
Es gibt das System, die Gürtelprüfungen, dann das Dan-System, all dies sind Schritte. Ich empfehle meinen Schülern immer: Bemühe Dich Schwarzgurt zu werden! Und selbst wenn eine gewisse Anzahl danach mit dem Training aufhört – wenn Du den schwarzen Gurt erreicht hast, dann hast Du ein gewisses Zutrauen in Dich geschaffen, ein Art Selbst-Bewußtheit und Selbst-Vertrauen. Und diese Kraft kann für andere Bereiche des Lebens genutzt werden. Ich meine auf diese Art kann Karate die Entwicklung einer Person fördern.

Frage: Kennen Sie Ochi sensei von Japan her?
Sawada: Ja, ich sah seine Wettkämpfe. Alas ich noch Student war besuchte ich die Alljapanischen Meisterschaften 1970 in Tôkyô. Ein Jahr zuvor war ich an die Universität gekommen. Zu dieser Zeit war Ochi sensei aktiver Kämpfer, ebenso wie Ueki sensei und Shirai sensei, allesamt sehr gute Kämpfer. Aber im gleichen Jahr ging Ochi sensei dann nach Deutschland, ich glaube, zuvor ging er noch nach England. Und dann 1975 kam ich nach Belgien. Aber seitdem haben wir mehrere Male pro Jahr Kontakt miteinander.

Frage: Herzlichen Dank, Sensei Sawada, für dieses Interview. Wir hoffen im kommenden Jahr wieder hier in Kappel beim Trainingslager von Ihnen lernen zu dürfen.
Sawada: Ich danke Ihnen ebenfalls. Es ist sehr schön hier in Kappel. Ich werde versuchen, wiederzukommen.